Zu "There is a Light That Never Goes Out" von The Smiths

"(but then a strange fear gripped me and I just couldn't ask)"

Zum Glück gibt es ja Mischkassetten (oder auch CDs), die uns Freunde machen. Meine Freundin Laurence aus der Pariser Vorstadt Issy-les-Moulineaux (aber Laurence wohnt ja mittlerweilen schon fast zwei Jahre in Deutschland und seit einem Jahr in Frankfurt) hat mir eine Kassette aufgenommen. Auf der ersten Seite sind die beiden letzten Lieder eben "There is a Light That Never Goes Out" und "The Light 3000" von Schneider TM. Ein wundervoller Remix, der die Schönheit des Originals unterstreicht.
Um erstmal eins zu sagen: Ich glaube, Morrissey ist groß. Ich sah ihn erst jüngst im SZ-Feuilleton mit Nancy Sinatra. Meine Fresse, wie cool. Aber jetzt das Lied:
Am Anfang ist da nur der Sänger, ein agiler Bass und durchgeschlagene Akustikgitarren sowie ein derbe straightes Schlagzeug mit einer schönen Snare, die aber wohl ab und zu durch ein elektronisches Schlagzeug ersetzt wird (so höre ich das, ein wahrer performing artist könnte es genau sagen, vielleicht ist es auch durchgehend eine Drummachine). Der Sänger will raus, er will Musik haben, Leute sehen, die jung und lebendig sind, er will Leute und Licht sehen. Er sagt (zu wem?) diesen wunderbaren - ja - Teenagersatz: driving in your car, please don't drop me home, because it's not my home, it's their home and I'm welcome no more. Und dann kommt wie aus dem Nichts dieser happy Refrain, der sagt, und wenn ein doppelstöckiger Bus (wie sie in London und Berlin fahren) oder ein Zehntonner ins Auto führe, es sei so eine himmlische Art, an (wessen?) Seite zu sterben, es sei ein Privileg an (wessen?) Seite zu sterben. Es gibt also zuerst diese Teenager-Cruising-Situation und dann kommt auf einmal dieser morbide Refrain, der durch fette Synthiestreicher unterlegt ist. Dann gehen die Synthie-Effekte auch nimmer weg: es kommen noch Flöten dazwischen und ein flangermäßiger Gitarrensound. Und dann eben diese Bridge mit den gruslig-wunderschönen Flötentönen drüber, auf welcher der Sänger sagt: "und in der verdunkelten, verdüsterten, getrübten ("darken" wird ja in erster Linie für einen emotionalen Zustand verwendet, kann aber auch daran liegen, dass "dark underpass" vom Takt her nicht draufpasst) Unterführung, da dachte ich "oh Gott, meine Chance ist endlich gekommen" - aber dann kommt eine "seltsame Furcht" und hält den Sänger davon ab, zu fragen (oder singt er doch "pass"? - die Lyrics geben wohl nur "ask" her - interessanterweise steht das "but then a strange fear gripped me..." im Text in Klammern). Für mich ist diese Bridge das Kernstück des ganzen Lieds. Dieses "oh God, my chance has come at last" ist so wundervoll gesungen, dass es einem das Herz zerbricht.
Wer ist aber das "Du" in dem Lied? Ich sehe Folgendes: es ist Abend. Das Mädchen, das ich verehre und anbete hat ein Auto. Wir fahren damit in eine Disco, in der wir viele Leute treffen. Da ist Licht. Da ist Musik. Wir tanzen. Und dann fahren wir rum. Aber zuhause, da sitzen die Spießer, da will ich auf keinen Fall mehr hin. In diesem einen Moment, als gerade dieses wunderschöne Lied im Radio läuft (zum Beispiel in der langen Unterführung vor dem Wöhrder See in Nürnberg) da ist alles perfekt und ich will schon fragen: Ey Aldde, wie schaut's aus? Aber irgendwie packt mich diese Angst und ich lasse es bleiben. Als wir auf der Autobahn sind, denke ich, wenn wir jetzt zusammen sterben könnten, dann wären wir uns so nah wie wir es so nie sein werden. Und ich müsste nicht mal riskieren, mein ohnehin sehr angeschlagenes Selbstwertgefühl aufs Spiel zu setzen.
Tja, aber was machen wir mit dem wunderbaren "light that never goes out" am Schluss? Das ist die Liebe zu dieser Liebe, die in mir drin ist. und bleiben wird, auch wenn zu fragen ich mich damals nicht getraut habe.

El Retardo