Goldengel aus Rauschen
Angel: Angel (CD, Bip-Hop bleep 16, 2002, Vertrieb D: Westberlin/Tartget Export)

Angel ist das gemeinsame Projekt von Ilpo Väisänen (u.a. Pan Sonic) und Dirk Dresselhaus (SchneiderTM). Aber vielleicht ist es schon zu viel, von einem (Band-)Projekt zu sprechen, wenn sich die beiden Musiker seit 1999 nur jeweils einmal im Jahr zu einem gemeinsamen Konzert in Berlin getroffen haben? (Was auf dieser CD dokumentiert ist, ist das ungekürzte 45-minütige Set vom Juli 2000.) Sagen wir so: hier sprengen die Ergebnisse der gemeinsamen Improvisation, des Aufeinanderreagierens, der Gleichzeitgkeit von Zuhören und Klangerzeugen den engen Rahmen solcher Autorenkonzepte wie Komponist/Band/Projekt/Interpret. Energiefelder wandern durch den Raum, kommen aus den Bereichen des Rauschens und werden zu Strukturen, ohne jemals wirklich in den Bereich der Tonalität zu gelangen. Konsequente Noisemusik, die manchmal sehr flotte Rhythmen in einem durchaus poppigen Sinne entstehen lässt, dann wieder wegkippen lässt und wenig später beginnt, wuchtigste Walls of Sound aufzutürmen. Konsequente Freeform-Musik auch, die sich ihre Strukturen selbst baut, im ganz materiellen Sinne: eine zum Analog-Rausch-Synthesizer umgebaute Schreibmaschine und eine kaputte E-Gitarre, die das tonale Element bewusst ausschließen helfen und ganz neue Spielmöglichkeiten eröffnen. Vielleicht ist hier das greifbar, was Jazz einmal gegenüber anderer Musik ausgezeichnet hat, und was letztlich einen Versuch darzustellen scheint, die Essenz zu destillieren, um die es bei Musik letztlich geht: Intensität. Wenn diese einen ausreichend hohen Level erreicht, ist es auch egal, ob man dazu Musik sagen muss/kann/soll. Klang kommt aus dem Chaos und ist die einzige Energie. Diese CD macht einen Prozess reinen Werdens hörbar, der sich der Abschließung verweigert. Schön wie eine Rasur im warmen Sonnenlicht oder kaltes klares Wasser (nicht von Malaria!, sondern in echt).

gebrauchtemusik

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