Ein Ringen nach Luft
Michèle Bokanowski: Trois Chambres d'Inquiétude (CD, elevator bath 2001, eeaoa07)
Vertrieb: Staalplaat, A: Mego/M.DOS

Realisiert und uraufgeführt wurde diese Komposition der Pierre-Schaeffer-Schülerin Michèle Bokanowski 1976; der große zeitliche Abstand bis zur CD-Veröffentlichung hilft zu ermessen, wie wenig 'alt' die Musik im Vergleich zu neuerer Musique concrète klingt.

Der Titel, der sich mit "Drei Zimmer der Unruhe/Rastlosigkeit/Besorgnis" übersetzen lässt, beschreibt zweifellos die Atmosphäre, die in allen drei Teilen der Komposition herrscht. Formal zusamengehalten werden sie durch das immer wieder auftauchende Motiv eines vibraphonartigen Klanges, der das Verticken der Uhrzeit ebenso suggerieren mag wie einen tropfenden Wasserhahn und damit zur Beunruhigung massiv beiträgt. Andere Klänge - ein hysterisch wirkendes Lachen, ein undefinierbares Geräusch zwischen einem Schluchzen und einem krampfhaften Atemholen - regen die Phantasie dazu an, jenseits der 'nur' atmosphärischen Valeurs der Komposition nach Spuren einer konkreten Geschichte zu suchen. Man glaubt den Geräuschen in einem Kranken- bzw. Sterbezimmer zu lauschen oder sich in der Wohnung einer Familie zu befinden, die ein Geheimnis verbirgt.

Angesichts dieser 'Soundstories' überrascht es nicht, dass die Komponistin viel für Film, Fernsehen, Theater und Ballett gearbeitet hat. Es scheint angebracht, Michèle Bokanowski als Meisterin des musikalischen Suspense zu bezeichnen; umso aufregender ist es, dass diese Spannung in Trois Chambres d'Inquiétude mit unspektakulären, oft sehr leisen Klängen erzeugt wird - mit Ausnahme der Passage in Teil 1, wo das irrsinnige Kinderlachen auf einen vergleichsweise brachialen Basspuls gelegt wird, der so verblüffend nach Techno klingt, dass man meinen möchte, die Zeit sei aus den Fugen geraten. In Wirklichkeit war diese Musik wohl einfach ihrer Zeit voraus.

gebrauchtemusik

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