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Thorsten Propeller: Electric Baguette (CD, Logan Tapes No. 27)
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Electric Baguette ist Thorsten Propellers viertes Album auf CD (wenn man die Tapes mitzählt, ist es mindestens schon das fünfte). Mit "nur" 16 Songs ist es etwas kürzer als seine Vorgänger; es scheint, als wären in den gut anderthalb Jahren, die seit Erscheinen von The Umlaut vergangen sind, einige Songs ungeschrieben geblieben, weil arbeitsbedingte Umzüge, Fernbeziehungen und quer durch Europa gepflegte Freundschaften zwischen Paris, Schwarzwald, Schweden und Südbayern wichtiger waren. Nicht ohne Grund wurden die Songs an unterschiedlichsten Orten und das Coverfoto auf einem Flughafen aufgenommen. Umso dichter sind die Songs, die letztlich ihren Weg auf das Album fanden. Die Zahl der Punkrock-Party-Burner, die bisher noch zu jedem Thorsten-Propeller-Album gehörten, ist etwas gesunken (Application, Pinkrock, dafür finden sich unter den langsameren Stücken balladeske Perlen, die zum besten gehören, was Thorsten Propeller aufgenommen hat - neben dem Totengedenken von For You v.a. das elegische Streichholz, in dessen schlichter Melodicalinie so viel Gefühl steckt, wie es andere Musiker in ihrer ganzen Karriere nicht zum Ausdruck bringen. Auch die rockigen Stücke dieses Albums sind mollgetönter als viele der früheren, kommen vom Sound her aber noch intensiver, man möchte sagen, "hungriger" daher als frühere Produktionen. So nach dem Motto, das Leben ist nicht leicht, aber es lohnt die Anstrengung, und um die Energie aufzubringen, die dafür nötig ist, muss die Bassdrum so fett sein wie möglich und auf die Eins, und die Gitarren müssen einen wegbeamen, ohne ihre Verwurzelung im Punkrock zu verleugnen, also sollten sie so zwischen Small Faces und Adverts liegen. Gerade aber, weil Thorsten Propellers Scheuerpop dezidierte Gitarrenmusik ist, bestechen umso mehr die unaufdringlich-eleganten Anlehnungen an Genres wie Bluebeat (die schon erwähnte, eines Augustus Pablo würdige Melodica) oder Electronica auf Electric Baguette. Auch die Art, wie Thorsten Propellers und Sophies Texte sich der Alltagswirklichkeit zwischen Berufseinstieg und Beerdigung nähern, erfährt hier einige Ausdehnungen, und zeigt, dass in einem guten Popsong jedes Thema Platz finden kann: "Fernsehschauen und Zeitung lesen / Ist das heute schon alles gewesen? / Das Bett nicht machen, in die Arbeit gehen / Spät einschlafen und früh aufstehen". Fazit: Eine Platte wie ein guter Freund.

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