No fun kann ja auch Spaß machen
Skanfrom: Hand-Picked Fragments (CD, Suction Records, Suction012, 2002)
Vertrieb: Indigo/Kompakt (D), Black Market (A), Namskeio (CH)

Maybe go out. Maybe stay at home. Maybe call Mom on the telephone. Vergiss es: das waren die Sechziger (das waren die Stooges). Heute ruft deine Mutter schon dich an. Don't call us. We call you. Ja, hallo. Tach mein Schatz. Ich grüß dich. Hier is Mutti. Du bist unterm Kopfhörer, am Mischpult, am Rechner. Sie landet auf dem Anrufbeantworter und später auf Track 8 (Fragment). Ausgehen? Daheimbleiben? Jemanden anrufen? Ausgehen eigentlich, aber vielleicht ist die Musik wieder so Scheiße wie letzten Samstag. Dann lieber hier noch 'was weitermachen. Wenn der Track fertig ist, rufe ich bestimmt jemanden an. Aber eigentlich will ich gar niemanden sehen. Vielleicht lege ich nochmal eine Platte auf. Mensch-Maschine oder Aphex Twin? Irgendwie bin ich traurig. Oder ist es nur dieses traurige Synthieriff, das mir im Kopf herumgeht, dass es mir so vorkommt? Das muss ich jetzt noch schnell aufnehmen. Aber halt - mit diesem Beat. Oh Mann, ist das klasse. Wie sich das so hochschaukelt, das Tempo anzieht und dann plötzlich voll abrauscht und dieses neue Riff einsetzt. Stundenlang könnte ich das weiterspielen. Das wird Track 11 (Cashier). Fast zu gut, um jetzt noch auszugehen. Und das Beste: man kann zwar 80s-Sound dazu sagen, aber wir sind alt genug (oder noch nicht alt genug), um zu wissen, dass in den 80ern gar nichts wirklich so klang. Diese Kühle, diese glänzend polierte Melancholie aufzugreifen, ist logisch, weil die polierte Oberfläche unserer blutigen Welt nicht so viel anders aussieht als damals. Es ist ein gutes Lied. Es handelt, wie alle meine Lieder, von der schlechten Welt in der wir leben. Vergiss es: das sind die 2000er (das ist Helge Schneider). Eine Freundin muss für ein Assessment Center einen Kommentar darüber schreiben, wie sich seit dem 11.9. ihr Leben verändert hat. Was sagt man da? Natürlich ist die Spaßgesellschaft zu Ende, aber No fun kann ja auch Spaß machen. Die Musik von Skanfrom legt sich nicht so sklavisch auf Zeiträume oder die Unterscheidung von Gefühlszuständen in Kategorien wie "Spaß" und "Trauer" fest, vielleicht zeigt sie sogar, dass das, was man für einen Dekadensound hielt, ins zeitlose Repertoire der Popstile eingegangen ist. Und zwar ohne Kalkül, sondern durch eigensinniges, dem eigenen Gehör verpflichtetes Herumwerken am Klang sowie Tapes und Vinyl in limitiertesten Auflagen. Dass Suction Records jetzt von Kanada aus eine Auswahl aus Skanfroms limitierten Releases und einigen neuen Tracks veröffentlichen und uns die Musik von Skanfrom zu Gehör bringen, muss man ihnen hoch anrechnen. Also danke erstmal. So, das war's schon. Tschühüs. Wir gehen jetzt tanzen.

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