Dass sich keiner dafür interessiert, könnte natürlich genau Resultat des von Deke erwähnten Overkills sein - und diese amerikanische Szene könnte ihrerseits gerade wegen dieses Phänomens eher lokal arbeiten, anstatt einen Vertrieb außerhalb der Staaten aufzubauen. Das wäre ja eurer gerade beschriebenen "lokalen" Arbeitsweise sehr ähnlich, denn dass ihr das klassische Modell von Label und Vertrieb verwerft, ist ja nur möglich, wenn es euch letztlich nicht darauf ankommt, eine möglichst große Zahl von HörerInnen bzw. KäuferInnen zu erreichen; wenn also, mit anderen Worten, eine Auflage von 50 CDs schon genug ist. Was es für ein klassisches Indie-Label nicht wäre - erstens aus wirtschaftlichen Gründen, und zweitens, weil es die Musik seiner Bands ja idealistischerweise möglichst vielen Leuten nahebringen will. Ihr sagt aber, "einige Leute sollten sich schon Gedanken darüber machen, was Indie eigentlich bedeutet". Welche Leute meint ihr damit konkret? Und was findet ihr an deren Begriff von "Indie" besonders fragwürdig?

Dan LoganDEKE: In der Tat ist es sogar zu pauschalisierend, von einer amerikanischen Szene zu reden, denn genaugenommen muss man die Unterteilung noch genauer vornehmen, wenn man z.B. beachtet was Mud/Parasol in Champaign/Urbana tun oder auch der Roster von TeenBeat umfasst doch weitgehend DC-Bands? Es ist definitiv richtig, dass dieser früh-90er Overkill sehr schädlich dafür war, dass Indie in einem Underground-Kontext glaubhaft bleiben konnte. Ebenso die Beobachtung bezüglich der "lokalen Arbeitsweise" in Amerika und dass hat wie alles mit Sternen und Streifen massiven Einfluss auf uns. Trotz des Overkills bin ich aber definitiv der Überzeugung, dass Indie weiterhin (wieder?) Credibility besitzt und das hat nichts damit zu tun, dass ich etwa der Auflösung von Pavement nachtrauere oder sonst irgendwie retro wäre. Indie hat ja nicht als Ausdrucksform versagt. Die guten Bands finden sich halt mittlerweile nicht mehr unbedingt in der Spex, obwohl die ja schon immer etwas spät 'dran waren. Man muss schon etwas stöbern... Uns sind Auflagen von 50 CDs auch nicht genug, aber viel mehr erlauben unsere finanziellen Möglichkeiten und unser potenzieller Absatz nicht. Wir hätten durchaus "missionarische" Absichten und finden unser Zeug cool, aber irgendwie sind wir mit der Zeit auch etwas defensiv geworden. Es ist natürlich eine sehr gute Frage, "was Indie eigentlich bedeutet". Im Grunde genommen ist es dasselbe zu fragen: "Was also ist Punk?" Die Clash sind kein Punk, Black Flag dagegen schon. Wolfie sind Indie, Weezer nicht..., Touch & Go ist Indie, Matador keinesfalls... Ich möchte dieses Statement, dass sich "einige Leute überlegen sollen, was Indie ist" so stehen lassen, weil es wie mit Punk ist. Das ist so ein weites Feld. Martin Büsser hat ja zu diesen Thema ein Buch geschrieben und jedesmal wenn ich es lese fühle ich mich irgendwie seltsam... Gina Arnold beendet "Kiss This" so ungefähr mit der Botschaft "..., but there is still Fugazi!" Für mich ist es jedenfalls kein Problem beim Drogenmarkt Müller die Bloodhound Gang unter Independent zu finden...

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