Als ich einmal Punk gewesen bin

...also mir, als einzig wahre Punkerin und Nonkonformistin , ist Punk aber auch weils so mänlich ist immer schon zu doof gewesen. Ganz okay- aber zu doof. ich mochte nie Mitglied dieser Jugendbewegung sein.
(Jutta Weber auf der Inernetseite "http://www.gebrauchtemusik.de" im öffentlichen Diskusionsforum zum Thema:"Was ist Punk?")

Wenn du irgendwann in den achtziger Jahren in den Stimmbruch gekommen bist , dein eigener Vater im dritten Reich ein sogenannter "Kriegsheld" war und du selbst in einer Villa in Lauf rechts großgezogen wurdest, gab es damals nur eine einzige Möglichkeit der Opposition: Punk werden und sein und hoffentlich bleiben!

Der zentrale Kern von Punk war für mich damals Anarchie. Von Anarchie hatte ich eine verschwommene Vorstellung. Auf einen Nenner gebracht war es die denkbare Möglichkeit, mit ungeputzten Zähne eine Stunde zu spät in die Schule gehen zukönnen, ohne dass einem gleich der Kopf abgerissen wurde. Diesen Umstand meines Denkens musste ich damals unbedingt zum Ausdruck bringen. Dabei kamen allerdings bunte Haare für mich nicht in Frage. Ich wollte nämlich unbedingt vermeiden, dass ich im Alter eine Glatze bekäme wie mein hoch verehrter Herr Vater. Sicherheitsnadeln im Gesicht waren da auch keine Lösung. Ich wollte obendrein nicht, dass meine Mutter beim sanften Streicheln meines Gesichtes an dem Blech hängen blieb.

Also kaufte ich mir ein T-shirt und Stoffmalfarbe und schrieb aus dem Fremdwörterlexikon die Erklärung von Anarchie mittels Pinsel und grüner Stoffmalfarbe auf das weiße Shirt. Damit meine Umwelt mitbekam, dass ich Punk war musste Sommer sein. Meine gute Mutter hätte es im Winter nie erlaubt, dass ich mit meinem Punkshirt herumlief. Und unter einem dicken Pullover, den ich im Winter immer anziehen musste konnte niemand mein Punkshirt sehen. Dieser Umstand fiel mir aber erst im Winter auf. Insofern war ich ein sogenannter Sommerpunk. Punkmusik interessierte mich damals nicht. Statt Punkmusik hörte ich Jazz und besonders gern Miles Davis. Irgendwie war ich trotzdem ziemlich arg Punk. Ich war so arg Punk, dass es mir ganz egal war, dass ich eigentlich außer mir in Lauf wohl keinen zweiten mit einem selbstgemalten Punkshirt gab. Versehentlich lernte ich trotzdem im Gymnasium, so glaubte ich damals jedenfalls, einen zweiten Punk kennen. Was uns beide bis heute verbindet ist eigentlich nur eine äußerst unleserliche Handschrift. Der Kerl kam irgendwo von Lauf links. Ich möchte es nochmals betonen: er hatte kein Punk-shirt wie ich. Ich glaube heute, dass er stattdessen sein Punkgefühl mit seiner gottserbärmlichen Sauklaue ausdrückte und er war so gut mit dem Geschmier dass ihm der Deutschlehrer vor der ganzen Klasse einmal das Deutschheft um die Ohren gehauen hat. Außerdem war er der einzige der damals auch Jazz hörte. Es war eine, in den damaligen Verhältnissen soweit möglich, relativ wilde Zeit. Irgendwann als Punk schon vorbei war, oder zumindest kurz davor, spielte mein Freund dann Punkmusik in einer Band die einen komischen Namen hatte. Damals fand ich das ziemlich doof. Ich dachte wir beide ziehen es irgendwie mit dem Jazz durch. Dann verloren wir uns aus den Augen und ich studierte Schlagerkunde leichte Mädchen- und Tanzmusikologie in Flensburg.

Alles was ich im Augenblick über mich selbst sagen kann ist, das ich mein Idealgewicht erreicht habe und dass volles braunes Haupthaar meine idealgroßen Kopf schmückt. Ich weiß jetzt auch was Punks sind. Punks haben Hunde, keine Manieren und besetzen Häuser. Und Menschen die gern gepflegten Jazz hören fahren einen dicken Benz und kaufen ihren Katzen frische Leber, Hackfleisch oder Nierchen von der Metzgerei nebenan.

matthiasklausfriedrich@gmx.de

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